Knirschen/Pressen der Zähne

Knirschen und Pressen der Zähne besonders nachts ist nicht nur störend, sondern verursacht u. U. schwere Schäden an Zähnen und Kiefergelenken. Muskel-, Gesichts-, Kopf- und Nervenschmerzen (Neuralgien, Migräne) können die Folge der zerstörerischen Kräfte sein.

Schäden an den Zähnen / Kronen
• starker Zahnabrieb
• abgekauter Zahnschmelz
• durchgebissen: Inlay, Krone
• Zahn-Abbruch
• Absplitterung / Bruch an Füllung, Krone, Keramik, Kunststoff
• Zahnhals-Defekte (keilförmig)
• Zahnpulpitis (Nervenentzündung) / Zahnschmerzen
• Zahnwanderungen

Schäden bei Prothesen
• Häufiger Bruch (Prothesen, Klammern)
• Starke Kunststoffabnützung (Zähne)
• Starker Knochenabbau führt zu
· «Einsinken» der Prothese (Zähne «werden länger»)
· Häufige Druckstellen

Kiefergelenk- / Meniskus-Schäden (Verlagerung)

Muskelverkrampfungen (Myogelosen) und -schmerzen
(Kaumuskeln, Kopf- / Nackenmuskeln)

Nerven-Schmerzen / Neuralgien

Therapie:
(Siehe auch das Merkblatt «Funktionstherapie»)
· Funktionsanalyse
· Funktionstherapie
· Schienen-Therapie
· Psychotherapie (autogenes Training)
Ich beiß mich durch

Immer mehr Menschen knirschen nachts mit den Zähnen.

München (AP) Schlaf bedeutet nicht immer Entspannung: Viele Deutsche leisten nachts Schwerstarbeit mit ihrem Gebiss. sie reiben und pressen die Zähne gegeneinander, bis sie manchmal bis zur Hälfte abgeschliffen sind. Den Grund für das «Zähneknirschen» sehen Experten in Stress und Überlastung. «Es gibt im Grunde immer ein psychisches Problem», sagt Dr. Christoph Herrmann, Vorsitzender der Gesellschaft für ganzheitliche Kieferorthopädie.
Die 35 Jahre alte Eva R. knirscht schon seit Jahren, «Ich habe mir einige Zähne damit kaputt gemacht», klagt sie. Besonders schlimm sei es, wenn der Rücken verspannt sei. Wie Eva R. kommen viele Patienten erst dann zum Zahnarzt, wenn ihr Gebiss schon beschädigt ist und die Kiefergelenke weh tun oder knacken. «Manchmal sind die Zähne schon bis zur Krone abgerieben», sagt Herrmann.
«Fehlstellungen der Zähne und Unebenheiten im Gebiss begünstigen das Knirschen», sagt Dr. Janusz, Rat von der Bayerischen Landeszahnärztekammer. Zunächst müssten die mechanischen «Unebenheiten» korrigiert werden, bei kleineren Störungen durch therapeutisches Abschleifen (Einschleifen) der Zähne, bei größeren durch eine kieferorthopädische Zahnkorrektur. «Unebenheiten» können auch verursacht sein durch schlecht sitzende (nicht funktionsgerechte) Füllungen, Kronen, Brücken und Prothesen, die korrigiert oder erneuert werden müssten. Dazu müsse der Zahnarzt eine Funktionsuntersuchung des Gebisses vornehmen. Ansonsten helfe eine so genannte «Knirscherschiene» (oder funktionstherapeutische Schiene), die als Schutz auf die Zähne aufgesetzt wird und die die Unebenheiten etwas ausgleicht.
Doch damit ist die tiefere Ursache des Knirschens noch nicht beseitigt, denn mit der Schiene gewöhnt man sich das Knirschen normalerweise nicht ab. Experten geben den Rat, eine medizinische Verhaltenstherapie zu machen und ggf. ein autogenes Training. Die Patienten müssten herausfinden, in welchen Situationen sie zum Knirschen neigten, und lernen, besser mit dem Stress umzugehen. Dass die Psyche bei solchen Gewohnheiten die wichtigste Rolle spielt, zeigen schon die Redewendungen: Man sei «zerknirscht», «beiße die Zähne zusammen» oder «kaue seine Probleme durch».

Ein Druck von zwei Zentnern
Ein enormer Druck lastet auf den Zähnen. Mit Kräften bis 100 Kilogramm pro Quadratzentimeter werden die Zähne aufeinander gebissen. Das entspricht zwei Sack Zement, die auf einen Backenzahn drücken. Manche Patienten pressen und knirschen im Schlaf so laut und stark, dass Ehepartner an Scheidung denken. Andere wieder merken von dem enormen Pressdruck nichts, außer dass bei ihnen die Kaumuskulatur morgens stark verspannt ist oder dass sie unter häufigen Kopfschmerzen, seltener unter Gesichtsschmerzen, leiden.
Normalerweise haben die Zähne nur beim Schlucken Kontakt. Selbst beim Essen befindet sich meistens Speise zwischen den Zähnen. Das Pressen der Zähne, jeglicher der Kontakt der Zähne außerhalb des Schluckens, ist ein so genanntes atypisches Verhaltensmuster.

Das Problem des Zungenpressens
Manche Menschen pressen auch oder zusätzlich zum Knirschen stark mit der Zunge gegen die Zähne. Wenn im Laufe der Zeit Lücken zwischen den Schneidezähnen entstehen, ist oft die Kraft der Zunge dafür verantwortlich. Auch Zahnlockerung kann die Folge sein. Hier helfen wie bei dem Knirschen und Pressen der Zähne entsprechende Übungen und Entspannungstechniken.

Junge Patienten betroffen
Die Zahl der Menschen, die mit Knirsch- und Beissproblemen in die Zahnarztpraxis kommen, wächst. Dr. Anne-Marie Kluge vom Universitätsklinikum Charité in Berlin führte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 1.295 Gespräche mit betroffenen Patienten: es sind vor allem Patienten zwischen 25 und 40 Jahren. Diese Altersgruppe stünde im Beruf besonders unter Druck.
Auch Frauen sind häufig betroffen. «Sie müssen sich eher anpassen, weil sie oft in untergeordneten Positionen arbeiten», sagt Kluge. Sie äußerten nur selten ihre Wünsche und wiesen unberechtigte Kritik an ihrer Arbeit nicht zurück. Als Folge kehrten sie ihre Aggressionen nach innen.

Mehr als 54 Prozent der unter diesem Bruxismus leidenden Frauen und Männer beklagen gesundheitliche Auswirkungen, vor allem Kopfschmerzen und Verspannungen der Schulter- und Nackenmuskulatur. Acht Prozent berichten über häufige Schmerzen in der Kiefermuskulatur. Und so mancher schmerzhafte Zahn ist schon gezogen worden, der zwar gesund aber völlig überlastet war.

Süddeutsche Zeitung 1999, Dr. Nicolas G. Finé